Nebelkerze oder Rolle rückwärts? Favre erwägt Systemumstellung gegen Leipzig
Lucien Favre stand noch vor gut zwei Wochen unter extremem Druck. Manche munkelten er stehe kurz vor dem Aus beim BVB. Doch der Schweizer schaffte den Turnaround – dank einer ungewöhnlichen Maßnahme. Denn der als Ideologe verschriene Trainer änderte seine eigentlich heilige Grundausrichtung zu einer Dreierkette. Und wurde mit dem Champions League Achtelfinale und zwei Kantersiegen in der Liga belohnt. Vor dem Leipzig-Spiel flirtet er mit der Rolle rückwärts – oder ist das lediglich ein Ablenkungsmanöver?
Dass mit Leipzig nach den – zumindest auf dem Papier – einfacheren Aufgaben Düsseldorf und Mainz ein absoluter Hochkaräter auf den BVB wartet, ist sämtlichen Akteuren bei Schwarz Gelb bewusst. Die Sachsen sind seit Ende Oktober in allen Wettbewerben in zehn Spielen ungeschlagen geblieben. In der Bundesliga stehen sie aktuell gar bei sechs Siegen in Folge. Platz eins ist die logische Konsequenz für die Mannschaft von Julian Nagelsmann.
„Wir bekommen es mit einer sehr gefährlichen Mannschaft zu tun. Sie sind in einer guten Verfassung und haben zuletzt viele Spiele gewonnen“, weiß auch BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Doch einerseits ist auch die Borussia in wiedererstarkter Verfassung und gewann die letzten vier Pflichtspiele allesamt. Andererseits stehen sie in Heimspielen im Signal Iduna Park mit einem zwölften Mann auf dem Platz, der lautstarken Unterstützung der heimischen Fans. Gegen den Dorn im Auge vieler BVB-Fans RB Leipzig dürfte das Stadion noch einmal lauter und unangenehmer für den Gegner werden. Auf diesen Faktor baut auch Zorc: „Wir sind zuhause weiterhin ungeschlagen in dieser Saison und das soll auch so bleiben,“ gibt der Sportdirektor die Marschrichtung aus. „Es hilft uns, wenn wir die Gelbe Wand zunächst im Rücken haben und dann auf sie zu spielen können. Das ist nochmal ein zusätzlicher Effekt.“
Favre erwägt – zumindest vermeintlich – Rückkehr zur Viererkette
Die Unterstützung der Fans weiß auch Lucien Favre sicherlich zu schätzen. Doch vertraut er selbstverständlich zuallererst auf seine Profis – und sein eigenes taktisches Geschick. Mit der Umstellung auf ein 3-4-3-System schaffte er zunächst ergebnistechnisch, zuletzt auch fußballerisch die Kehrtwende. „Wir haben es mit dem neuen System bisher gut gemacht“, weiß auch der Schweizer. Dass es aber bei diesem bleiben wird, bedeutet das aber noch nicht. „Doch Leipzig hat viel Power im Spiel nach vorne“, begründet Favre eine eventuelle Rückkehr zur Viererkette. „Leipzig ist sehr gefährlich in der Balleroberung und spielt extrem schnelle Konter mit wenig Ballkontakten und vielen Läufen in die Tiefe.“ Möglich also, dass er einen zusätzlichen Mann in die letzte Abwehrlinie zurückziehen wird.
Entscheidend wird auch das zentrale Mittelfeld sein. Leipzig tritt dort gerne mit zwei kampfstarken Spielern auf der Doppelsechs an, die die Bälle erobern und an einen der vier Offensiven abliefern. Zuletzt waren Diego Demme und Konrad Laimer das bevorzugte Personal im Maschinenraum der Roten Bullen. Julian Brandt und Julian Weigl werden sich körperlich und kämpferisch nicht zurückhalten dürfen, um in Abwesenheit von Axel Witsel und Thomas Delaney genug Physis in die Mittelfeldzentrale zu bringen.