Ex-Kommentator Marcel Reif verrennt sich in Sancho-Kritik – Lob für Emre Can
Marcel Reif, jahrelang einer der profiliertesten Fußball-Kommentatoren Deutschlands, bewertet die aktuelle Lage beim BVB zwiegespalten. In seinem Format bei der „Bild“ schoss er sich einerseits auf Jadon Sancho in Folge seines Friseurbesuchs ohne Corona-gerechte Hygienemaßnahmen ein. Auch der seiner Meinung nach zu laxe Umgang der BVB-Führung mit diesem Vorfall stößt ihm auf. Andererseits lobte er die schwarz gelben Verantwortlichen aber für ihren Transfer von Emre Can – in Reifs Augen einem Mentalitäts-Spieler.
Dass es keine internen Konsequenzen für Jadon Sancho gegeben hatte, kann Marcel Reif nicht nachvollziehen. „Das wundert mich“, polemisiert Reif in der „Bild“ über den Umgang der BVB-Verantwortlichen mit dem Friseurbesuch ohne Mund- Nasen- Schutz: „Denn ich dachte, sie hätten aus den Zeiten von Ousmane Dembélé oder Pierre-Emerick Aubameyang etwas gelernt. Aber sie versuchen es immer noch so ein wenig mit antiautoritärer Erziehung. Da kommt immer noch ein wenig Verständnis auf.“ Ousmane Dembele streikte sich durch Fernbleiben aus Dortmund zum FC Barcelona. Pierre-Emerick Aubameyang fiel immer wieder durch Extravaganzen und Verantwortungslosigkeiten auf, bis er an den FC Arsenal London verkauft wurde.
Im Gegensatz zum Umgang mit Jadon Sancho stößt ein Winter-Transfer auf die volle Zustimmung des ehemaligen TV-Kommentators. „Sie haben einen Can geholt – auch um einen weiteren Mentalitäts-Spieler im Team zu haben“, nennt Reif einen Baustein für eine erfolgreiche BVB-Zukunft. „Und Can sagt ganz klar: Wir haben Ziele, und wir müssen dies und jenes machen, um diese Ziele zu erreichen.“ Wie solche Ziele zu erreichen sind, das steht für Marcel Reif ebenfalls fest. „Das kann man vielleicht auch mal mit ‚Hacke, Spitze, eins zwei drei‘ machen. Aber in der Regel geht es darum, einen anständigen Job zu machen. Und einen anständigen Job machst du als Berufsfußballer, wenn du diszipliniert bist. Sonst funktioniert ein Mannschaftsgefüge nicht.“
Reif über Einzelgänger: „So machst du eine Mannschaft zur Sau“
Einzelgänger, wozu Reif auch Jadon Sancho zu zählen scheint, haben für ihn in einer funktionierenden Fußballmannschaft nichts zu suchen: „Dann kannst du Tennis spielen gehen oder Golf oder Kunstschwimmen. Wenn du Teil einer Mannschaft bist und du benimmst dich so wie Sancho – und zwar nicht zum ersten Mal – so machst du eine Mannschaft zur Sau. Das ist brandgefährlich.“
Die Causa Sancho, zu der Reif den Friseurbesuch stilisiert, sei für den Verein Borussia Dortmund eine gefährliche Situation: „Zum einen weiß ich nicht, ob es bei Sancho darum geht, auf diese Weise wieder einen Wechsel zu erzwingen. Zum anderen weiß ich nicht, ob die BVB-Bosse für Sancho noch den Preis bekommen, den sie ausrufen. Denn die interessierten Vereine werden sich denken: ‚Wir haben auch eine Kabine. Und da kommt jetzt ein kleiner Wunderspieler, der muss noch eine Menge lernen.‘ Auf diese Art wird’s bei den großen Vereinen schwer.“
Das große Aber: Sancho war nicht alleine beim Friseur
Was aber Marcel Reif bei seinem Rundumschlag gegen den vermeintlichen Einzelgänger Jadon Sancho und die in seinen Augen zu nachsichtige BVB-Führung übersieht oder geflissentlich verschweigt: Sancho war nicht alleine beim Friseur. Insgesamt sechs Profis des BVB ließen sich von einem Friseur in ihren eigenen Wohnungen die Haare schneiden. Dass dabei Hygienemaßnahmen nicht eingehalten wurden ist richtig und soll zu Strafen führen. Warum aber die DFL lediglich Jadon Sancho und Teamkollege Manuel Akanji mit Geldstrafen in unbekannter Höhe belegt hatte, blieb aber unklar.
Die öffentliche Kritik schoss sich in der Folge fast ausschließlich auf das vermeintlich leichte Ziel Sancho ein. Dieser dient als junges Top-Talent als ausgemachter Sündenbock für das Bild des abgehobenen Fußball-Stars. Marcel Reif stößt mit seiner kurzsichtigen Kritik in dasselbe Horn. Viel differnzierter war da schon die Stellungnahme von Michael Zorc, Sportdirektor von Borussia Dortmund, vor dem Spiel gegen Hertha BSC. „Ich kann nur davor waren, es permanent an einen Spieler festzumachen. Es haben sich auch andere Spieler die Haare schneiden lassen“, ordnete Zorc den Aufreger sachlich richtig ein.